Republik der Rentner?

Auf dem Weg zur Republik der Rentner – unter diesem Titel setzte sich die Ostsee-Zeitung am 8.11.2018 mit dem neuen Rentenpaket der Großen Koalition und dem Thema Generationengerechtigkeit auseinander. Bebildert wird der Artikel mit einem Balkendiagramm, das die Zahl der Einwohner Deutschlands nach Altersgruppen zeigt. Und damit ist das größte Dilemma dieser Visualisierung eigentlich auch schon beschrieben – sie bebildert den Artikel nämlich nur, schmückt ihn also nur aus. Es ist aber nicht erkennbar, welche Aussage das Diagramm eigentlich untermauern soll.

Quelle: Auf dem Wege zur Republik der Rentner, Rasmus Buchsteiner und Tobias Peter, Ostsee-Zeitung vom 8.11.2018, Seite 2

So nimmt denn auch Leser P. Rohde Anstoß an der Darstellung – nachzulesen am Folgetag in den Leserbriefen. Er erkennt in der Grafik die Absicht, das "Ungleichgewicht der Generationen" darzustellen. Völlig zurecht kritisiert er die Nichteignung der Darstellung, da die Altersgruppen eine ungleiche Anzahl von Jahren repräsentieren. So gibt es Altersgruppen, die nur ein einziges Jahr repräsentieren ("unter 1 Jahr") bis hin zu Gruppen, die 19 Jahre ("40-59 Jahre") repräsentieren. Die letzte Altersgruppe ist nach oben offen – das liegt aber in der Natur der Sache. Fraglich ist höchstens, ob dafür nicht ein höheres Alter als 65 besser gewesen wäre. Da der Sinn der Darstellung aber unklar ist, ist eine Diskussion darüber wohl müßig.

Als Quelle nennt die OZ das Statistikportal Statista. Also machen wir uns unter de.statista.com auf die Suche und werden hier fündig. Als Quelle der Daten benennt Statista die Genesis-Online Datenbank des Statistischen Bundesamtes – der Datensatz sei dort über den Code "12411-0005" abrufbar. Dort sind die Daten auch tatsächlich zu finden, aber aufgeteilt nach einzelnen Altersjahren. Die fragwürdige Gruppeneinteilung geht also auf Statista zurück.

Dann verbessern wir die Darstellung einmal. Verzichten wir als erstes auf die fragwürdige Gruppierung und gruppieren stattdessen nach einzelnen Jahren, Dann unterteilen wir zusätzlich nach Geschlecht und stellen das ganze auf den Kopf. Was erhalten wir dann? Die bekannte Bevölkerungspyramide. Die für Deutschland schon lange keine Pyramide mehr ist – dank Weltkriegen, Weltwirtschaftskrise, Babyboom-Jahren, mehrerer Geburtentiefs und Geburtenrückgängen. Um das Problem Generationengerechtigkeit darzustellen, müsste man aber schon mehrere Alterspyramiden nebeneinanderstellen: eine für die Vergangenheit, eine für heute und eine für die Zukunft. So wie hier im Demografieportal des Bundes und der Länder zu finden:

Schade, dass die Autoren der OZ nicht diese Darstellung gewählt haben – mit dem Stichwort Altersstruktur war sie bei Google schon auf der ersten Seite zu finden. Das wäre bedeutend besser gewesen. Allerdings so richtig deutlich wird das Problem der Generationengerechtigkeit auch mit dieser Darstellung nicht aufgezeigt. Das Problem ist ja, dass das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Menschen im Ruhestand immer ungünstiger wird. Glücklicherweise findet sich im selben Demografieportal eine sehr gut geeignete Visualisierung.

Das Portal liefert auch gleich eine gute Erklärung, was diese beiden Kennzahlen bedeuten und warum sie so relevant für dieses Thema sind.

Die gesellschaftlich relevanten Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung lassen sich besonders anschaulich anhand der Jugend- und Altenquotienten darstellen. Diese bringen zum Ausdruck, wie viele Personen unter 20 bzw. über 65 Jahren auf 100 Personen der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren kommen. Der theoretische Hintergrund beider Kennzahlen ist die Überlegung, dass nur die Erwerbstätigen im engeren Sinne wirtschaftlich produktiv sind und das Leben der noch in der Ausbildung befindlichen Jungen sowie der schon im Ruhestand weilenden Alten finanzieren müssen. Beide Quotienten folgen unterschiedlichen Entwicklungslinien. Während der Jugendquotient seit den 1970er Jahren einen rückläufigen Trend aufweist, steigt der Altenquotient an.

Der Jugendquotient hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht mehr wesentlich geändert. Schauen wir uns daher die rote Kurve des Altenquotienten genauer an. Am Anfang des Jahrtausends gab es einen deutlichen Anstieg. Auch damals geriet das Thema ins Interesse der Politik. Danach flacht die Kurve erst einmal ab – und mit ihr auch das Interesse der Politik. Aktuell befinden wir uns am Beginn des nächsten – dramatischeren – Anstiegs. Es geht von aktuell rund 33% rauf auf 55% im Jahr 2035. Erst diese Darstellung zeigt das Problem in seiner Dramatik und dem Betrachter mag nun dämmern, welcher soziale Sprengstoff uns da erwartet. Das erklärt auch das wieder verstärkte Interesse von Politik und Medien an diesem Thema. Ich freue mich, dass auch die OZ das Thema aufgreift. Noch schöner wäre es, wenn die gewählten Grafiken den Lesern das Thema verständlich machen. [gso]

Zurück

Möchten Sie mehr erfahren?
Ein erstes Gespräch ist immer kostenlos und unverbindlich.

Verschaffen Sie sich jetzt den Durchblick auf…

Klick